CL019 Doppelsterne und der böse Zwilling der Sonne

Shownotes

CL019 Doppelsterne und der böse Zwilling der Sonne

Die Episode über Doppel- und Mehrfachsternsyteme und die Nemesis-Hypothese

Die Episode über Doppel- und Mehrfachsternsysteme und dem hypothetischen Zwillingsstern der Sonne, Nemesis. Außerdem: romantische Vorstellungen in der Forschung.

Einleitung

Wir beginnen die Folge mit einem kurzen Überblick, was sich seit dem letzten Mal getan hat - und das ist eine ganze Menge gewesen!

OSIRIS REx hat Wasser mitgebracht!

Nach der geglückten Rückkehr von OSIRIS-REx im September 2023, bei der eine Materialprobe des Asteroids Bennu auf die Erde abgeworfen worden wurde, haben die Wissenschafter und Forscherinnen der NASA den Staub untersucht und erfreuliches gefunden!

Der Asteroid Bennu enthält Wasser- und Kohlenstoffmoleküle!

Der Staub, der sich auf der Außenseite der Kapsel befunden hat, wurde nun ausgewertet. Und selbst dort fanden die Forscher*innen der NASA schon Wassermoleküle, die in Mineralien eingeschlossen sind. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Wasser unserer Ozeane womöglich auch durch Asteroiden vor 4 Mrd. Jahren auf die Erde gebracht wurden. Außerdem wurden Schwefel (wichtig für geologische Prozesse), Magnetit (Katalysator bei organisch-chemischen Reaktionen) und größere Mengen Kohlenstoff gefunden. Kohlenstoff ist besonders spannend, da es den Grundbaustein des Lebens darstellt. Jetzt befindet sich die Sonde Osiris Rex auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel: der Asteroid 99942 Apophis.

NASA Press Release

Der größte Sonnensturm!

In Baumringen von Bäumen aus den französischen Alpen wurde der stärkste Sonnensturm aller Zeiten entdeckt. Er soll sich vor 14.300 Jahren, am Ende der Eiszeit, ereignet haben. Durch die starke Intensität der kosmischen Strahlen bei Sonnenstürmen entstehen bestimmte Isotope in der Atmosphäre. Diese können dann in Baumringen oder Eisschichten nachgewiesen werden. Parallel haben nämlich Forscher*innen des “North Greenland Ice Core”-Projekts in der Eisschicht, die sich vor 14.300 Jahren gebildet hat, eine hohe Konzentration des Isotops Beryllium-10 nachgewiesen. Diese starken Sonnenstürme werden als Miyake-Ereignisse bezeichnet, benannt nach der japanischen Physikerin Fusa Miyake. Sie fand 2012 in den Jahresringen von japanischen Zedern Hinweise darauf, dass im Jahr 774 ein solcher “Superflare” die Erde getroffen hat. Mehr zu Sonnenwinden könnt ihr auch in der Folge 1 von Cosmic Latte nachhören!

Doppelsterne und Mehrfachsysteme

Doppelsterne gibt es nicht nur in Star Wars, wenn über Tatooine, dem Heimatplaneten von Luke Sykwalker zwei Sonnen am Himmel aufgehen. Ein sehr bekanntes Doppelsternsystem ist etwa Sirius AB und in unserer Nachbarschaft befindet sich sogar ein Mehrfachsystem: Alpha Centauri, bestehend aus Alpha Centauri A und B sowie dem entfernten Begleiter Proxima Centauri. Es gibt auch Systeme mit mehr Sternen. Die meisten Sterne in einem System wurden bei Jabbah und AR Cassiopeiae im Sternbild Kassiopeia mit sieben Sternen gefunden.

Generell spricht man von Doppelsternen, wenn sie gravitativ aneinander gebunden sind und um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen. Dabei gibt es welche, die sich weit entfernt voneinander umkreisen und keinen Kontakt haben (kaum Interaktion), und solche, die näher aneinander sind. Dabei kann es vorkommen, dass die engen Doppelsterne nur spektrokopisch und nicht mehr teleskopisch voneinander unterschieden werden können. Bei denen, die die Roche-Grenze überschreiten, findet sogar ein Materieaustausch statt, der so stark sein kann, dass sie eine gemeinsame Hülle haben; Doppelsterne können sich daher gegenseitig beeinflussen, Materie ab- bzw., anziehen und so in die Entwicklung des Partnersterns eingreifen. Die Roche-Grenze ist wichtig in einem Binärsystem. Sie gibt die Grenze der Größe der Sterne bei Doppelsternen an, innerhalb derer sie keinen Einfluss auf die Gravitationskräfte des anderen nehmen.

Die Forschung geht von 60 bis 70 % Doppel- oder Mehrfachsternsystemen in der Milchstraße aus. Grund dafür, sind die physikalischen Bedingungen bei der Sternentstehung. Sterne entstehen in interstellaren Wolken. Innerhalb dieser Molekülwolken, die sehr kalt (10-30K) sind, gibt es dichtere Regionen, in denen die Wolken hauptsächlich aufgrund der Schwerkraft immer mehr verklumpen, bis sie kollabieren. Sterne entstehen in größeren Wolken gruppenweise und es besteht dabei eine große Wahrscheinlichkeit, dass solche nahe beieinander befindlichen Sterne sich zu einem System verbinden.

Ist die Sonne eine Einzelgängerin?

Wenn jetzt Doppelsterne eher die Regel sind, kann es sein, dass die Sonne auch einen Begleiter hat? Tatsächlich entstand in den 1980er Jahren die Theorie, dass die Sonne einen Zwillingsstern hat. Damals entdeckten Luis und Walter Alvarez, dass ein Asteroid für das Massensterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren verantwortlich war. Zwei Paläontolgen, David Raup und John Sepkoski griffen die Idee auf, als sie die Aussterberate von Meerestieren untersuchten. Sie meinten in ihren Daten eine Periodizität von 26 Millionen Jahren in den Massensterben zu erkennen.

Nemesis-Hypothese: “böser Zwilling der Sonne”

Der Physiker Richard Muller, ein früherer Student von Alvarez ging der Sache nach und fragte sich, was für ein Prozess dahinter sein könnte.
Er ging davon aus, dass der Dino-Killer zu einem größeren Verbund gehörte und stellte dann die Theorie auf, dass wohl ein größeres Objekt die Oortschen Wolke in gewisser Regelmäßigkeit (in diesem Fall alle 26 Millionen Jahre) durchquert, dort die Bahnen der Himmelskörper stört und die Kometen Richtung Sonne geschleudert werden. Die Oortsche Wolke befindet sich am äußersten Rand des Sonnensystems, weit draußen außerhalb von Pluto-Orbit und Kuiper Gürtel.

Muller stellte nun weiter die Hypothese auf, dass es sich bei diesem Objekt um einen unentdeckten Stern handeln könnte, und gab dem hypothetischen Stern den Namen "Nemesis".

Welche Eigenschaften hätte Nemesis?

Wahrscheinlich handelt es sich bei Nemesis um einen braunen Zwerg oder Zwergstern und er wäre somit sehr leuchtschwach. Nemesis müsste sich bei einer Distanz von 1,5 Lichtjahren in einem stark elliptischen Orbit befinden und sich alle 26 Millionen Jahre der Oortschen Wolke nähern.

Allerdings wurde Nemesis bis heute nicht entdeckt und nach aktuellen Himmelsdurchmusterungen scheint es auch eher unwahrscheinlich. Besonders nach Duchmusterungen im Infrarot-Bereich hätte man ihn entdecken müssen.

Mehrere Gründe sprechen gegen die Nemesis-Hypothese, wie Adrian Melott und Richard Bambach in ihrem Paper Nemesis Reconsidered ausführen. Sie betonen, dass durch galaktische Gezeiten und nahe vorbeifliegende Sterne die Stabilität der Umlaufbahn und die Periodizität von Nemesis nicht gegeben wäre.

2011 stellte sich zudem heraus, dass die Daten die aufgestellte Hypothese von Raup und Sepkoski nicht hergeben und es sich dabei um ein statistisches Artefakt handelt.

Könnte die Sonne einen Begleiter gehabt haben?

Auch wenn Nemesis nicht gefunden ist, so kann es durchaus sein, dass die Sonne in ihrer Anfangsszeit einen Begleiter hatte - zumindest lassen das die Ergebnisse der Studie von Sarah Sadavoy und Steven Stahler zu. Sie untersuchten Daten aus einer Molekülwolke mit vielen jungen Sternen in der 700 Lichtjahre entfernten Perseuswolke und kamen zu folgenden Ergebnissen:

  1. dass junge Sterne in Doppelsystemen entstehen und
  2. dass diese jungen Sterne aber nur sehr schwach aneinander gebunden sind. Doppelsterne, die weit entfernt sind (>500 AE) verlieren sie sich später wieder. So entstehen sonnenähnliche Sterne eigentlich immer mit Begleiter, verlieren ihn aber meistens innerhalb einer Mio. Jahren.

Die Sonne könnte demnach also einen Begleiter bei ihrer Entstehung vor 4,5 Mrd. Jahren gehabt haben. Allerdings ist Nemesis ihrer Theorie nach innerhalb der ersten Jahrmillion verloren gegangen und wandert jetzt durch die Milchstrasse. Da sie somit bereits auf der anderen Seite der Milchstrasse sein könnte, kann sie auch nicht mehr identifiziert werden.

Das Fazit: Vielleicht exisierte Nemesis vor langer Zeit. Sie war aber jedenfalls nicht der böse Zwilling der Sonne.

(Weitere) Paper zum Thema:

Buch zum Thema

David M. Raup: The Nemesis Affair November 1999

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