CL064 Türkei-Special: Zwischen Halbmond und Sternen
Shownotes
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In der zweiten Sommerfolge nehmen euch Eva und Jana mit auf eine astrohistorische Reise durch die Türkei. Wir erkunden, welche Rolle der Himmel seit Tausenden von Jahren für Religion, Macht und Wissenschaft spielt – und warum der Halbmond mehr ist als ein Flaggensymbol. Außerdem werfen wir einen Blick auf aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Bildung, Forschung und Wissenschaftsfreiheit.
Sommer-Special: Türkei
In unserer zweiten Sommerfolge reisen wir astronomisch und historisch durch die Türkei – ein Land, das wie kaum ein anderes die Verbindung zwischen Vergangenheit, Religion, Wissenschaft und Zukunft verkörpert.
Unsere Reise beginnt im Neolithikum mit Göbekli Tepe, einer archäologischen Sensation im Südosten der Türkei nahe Şanlıurfa. Die monumentale Tempelanlage ist rund 11.500 Jahre alt – gebaut lange vor den Pyramiden und sogar vor der Erfindung der Landwirtschaft. Ihre gewaltigen Steinkreise mit kunstvollen Tierreliefs deuten auf eine komplexe Gesellschaft mit spirituellem Leben hin, noch bevor sesshafte Kulturen entstanden. Manche Forscher vermuten sogar eine astronomische Bedeutung der Anlage: Die Ausrichtung einzelner Steine könnte mit Sternbildern wie den Plejaden in Verbindung stehen – doch bleibt vieles spekulativ, da schriftliche Quellen aus dieser Zeit fehlen.
Das osmanische Reich und die islamische Astronomie
Ein Sprung ins Mittelalter führt uns in die Zeit der islamischen Blüte, in der insbesondere Istanbul (damals Konstantinopel) zu einem bedeutenden Zentrum für Wissenschaft und Astronomie wurde.
Im 16. Jahrhundert, unter der Herrschaft von Sultan Murad III., zog die Stadt Gelehrte aus der gesamten islamischen Welt und darüber hinaus an. In den Medresen, religiös-wissenschaftlichen Schulen, wurde Astronomie neben Mathematik, Medizin und Theologie gelehrt. Die große Bibliothekslandschaft von Istanbul bewahrte nicht nur antikes Wissen, sondern brachte es durch Übersetzungen und Kommentare auch in neue Kontexte. Der Mond spielte dabei eine besondere Rolle, denn die islamische Zeitrechnung basiert auf einem Mondkalender: Der Beginn des Fastenmonats Ramadan sowie das Zuckerfest richten sich nach der Sichtung der ersten Mondsichel. Auch heute noch gibt es hitzige Debatten, ob traditionelle Sichtungsmethoden oder moderne Technologien wie Teleskope und Software die religiöse Praxis bestimmen sollten.
Der "Halbmond mit Stern", heute auf der türkischen Nationalflagge zu sehen, ist eng mit dieser astronomischen Symbolik verknüpft – wenngleich er kein originär religiöses, sondern vielmehr ein politisches Symbol des Osmanischen Reiches war. Besonders eindrucksvoll zeigt sich der wissenschaftliche Ehrgeiz des Osmanischen Reichs im "Taqi ad-Din Observatorium", das 1577 in Istanbul gegründet wurde. Taqi ad-Din Muhammad ibn Ma’ruf, einer der bedeutendsten Astronomen seiner Zeit, führte dort hochpräzise Himmelsbeobachtungen durch, berechnete Planetenbahnen und entwickelte verbesserte astronomische Tabellen. Damit war das Observatorium auf Augenhöhe mit den großen europäischen Einrichtungen jener Epoche. Doch sein Schicksal war tragisch: Bereits 1580 wurde es nach religiöser Kritik und einem als schlechtes Omen gedeuteten Kometen zerstört – ein herber Rückschlag für die osmanische Wissenschaft. Während in Europa zeitgleich Tycho Brahe und später Johannes Kepler die moderne Astronomie einläuteten, endete in Istanbul ein vielversprechendes Kapitel.
Astronomie in der modernen Türkei
Heute ist die Türkei wieder aktiver Teil der globalen Wissenschaftsgemeinschaft. 2018 wurde die Türkische Raumfahrtagentur (TUA) gegründet, und auch moderne Observatorien wurden eingerichtet. Gleichzeitig bleibt das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik angespannt. Seit dem Putschversuch 2016 wurden Tausende Akademiker entlassen oder strafrechtlich verfolgt – insbesondere jene, die sich kritisch gegenüber der Regierung äußerten. Jüngste Reformen wie das „Turkey Century Education Model“ stoßen ebenfalls auf Kritik, da sie einen stärkeren Fokus auf religiöse Werte legen und eine mögliche Einschränkung säkularer Bildung befürchten lassen.
Die astronomische Geschichte der Türkei ist also nicht nur ein Blick in den Himmel, sondern auch ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen.
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Transkript anzeigen
Evi: Willkommen zu einer Sommerausgabe von Cosme Glatte. Eure Audiopostkarte von uns an euch.
Evi: Und dieses Mal hat euch Jana etwas mitgebracht. Hallo Jana.
Jana: Hi, grüß dich.
Evi: Hi, wo warst du?
Jana: Ja, also ich habe den Sommer teilweise zumindest in der Türkei verbracht.
Evi: Sehr schön.
Jana: Und das ist natürlich wunderschön. Da kann man herrlich baden gehen und sich
Jana: alte Tempel angucken und ins Hammam gehen und sich es allgemein gut gehen lassen.
Jana: Aber es ist auch ein Ort der Astronomie und vor allem der Astronomie in der Vergangenheit.
Jana: Und da dachte ich, das wäre vielleicht genau das Richtige.
Evi: Das war jetzt auch mein erster Gedanke, dass das so nach ganz antiker Astronomie
Evi: sich anhört. Da bin ich gespannt, was du da gefunden hast.
Jana: Ja, also es ist total spannend, weil man ja auch immer, wenn man über die Vergangenheit
Jana: spricht, dann geht es ja eigentlich ganz stark ums Osmanische Reich,
Jana: was ja größere Ausdehnung jetzt hatte, sage ich mal, als die Türkei heute und
Jana: ganz viele Kulturen und so weiter zusammengebracht hat. und da natürlich auch ein großes Zentrum war.
Jana: Aber es gibt tatsächlich, und ich werde auch gleich über das Osmanische Reich
Jana: sprechen, aber es gibt etwas, was noch viel älter ist und auch in der Türkei
Jana: ist. Und das verbindet uns beide tatsächlich.
Evi: Okay.
Jana: Denn du hast mir mal einen Kalender geschenkt.
Jana: Den, kurz gesagt, Kalender mit dem Jahr 0, der 10.000 Jahre vor unsere Jahreszahl
Jana: sitzt und sagt, es geht um das älteste Gebäude oder das älteste Bauwerk,
Jana: das die Menschheit errichtet hat. Und das befindet sich in der Türkei.
Jana: Das ist wahrscheinlich eine Tempelanlage, um etwa 11.500 Jahre alt, Göbekli.
Jana: Wenn ich das richtig ausgesprochen habe, befindet sich in der südöstlichen Türkei,
Jana: also um die 9600, 9500 vor Christus und ist wirklich eine gigantische Anlage
Jana: und ganz frühes Neolithikum.
Jana: Also das ist bevor Menschen angefangen haben, Ackerbau zu betreiben.
Jana: Und trotzdem haben sie diese gewaltige Tempelanlage dahingestellt mit Tierreliefs
Jana: und großen Säulen und so weiter.
Jana: Und das ist 7000 Jahre vor den Pyramiden. Also wirklich sehr beeindruckend.
Jana: Finde ich auch dann eben sehr passend, als das Jahr Null sozusagen, dieser Bau.
Evi: Ich glaube, der Kalender ist ja auch quasi dieses Anthropozän.
Jana: Genau, das ist Jahr Null der menschlichen Ära oder des Holozeans.
Jana: Ja, er passt auch total gut. Und ich wusste, dass das so ein großes Bauwerk
Jana: ist, aber ich habe mir dann angefangen, so ein bisschen reinzulesen.
Jana: Und es gibt natürlich ganz viele Vermutungen, was das Ding war.
Jana: Ich meine, es ist so alt, dass Vermutungen bleiben werden.
Jana: Aber natürlich kommen die Astronomen daher und sagen, Eindeutig hat man hier die Sterne beobachtet.
Jana: Es ist wahrscheinlich ein religiöser Hintergrund, aber es gibt Theorien,
Jana: dass die Anordnung der Steine und Symbole mit bestimmten Sternbildern oder Himmelszyklen
Jana: korrespondieren könnten.
Jana: Zum Beispiel wird da spekuliert, dass man die Plejaden irgendwo abgebildet sieht
Jana: in diesen Steinreliefs, aber das ist natürlich umstritten.
Jana: Aber ich finde eigentlich die Vorstellung sehr schön, dass es eins der ältesten
Jana: Gebäude der Menschheit ist und dass das auch gleich vielleicht im Zusammenhang stand mit den Sternen.
Jana: Und ich finde es auch gar nicht so weit hergeholt, dass man sagt,
Jana: ja klar, religiös irgendwelche Götter und so weiter, aber warum sollten Menschen
Jana: nicht schon vor 11.000 Jahren in den Himmel geguckt haben und sich gedacht haben,
Jana: was ist denn das und das kommt irgendwie immer wieder?
Jana: Also das befindet sich in der südöstlichen Türkei.
Evi: Was ist da noch erhalten geblieben? Was sieht man da noch?
Jana: Leider nicht so viel. Also man sieht so ein paar Säulen, die noch erhalten geblieben sind.
Jana: Es gibt so ein paar Reliefs. Natürlich ist nicht die große Struktur vorhanden. Ich würde es
Jana: Wir vergleichen mit so einer antiken Ruine, wenn man mal durch Pompeji gelaufen
Jana: ist oder so, wobei ja das noch besser erhalten ist, teilweise durch diesen Ascheregen.
Jana: Man sieht einfach, dass es uralt, auch die Reliefs sind teilweise nicht ganz
Jana: klar, was da überhaupt dargestellt ist. Also ist es ein Tier,
Jana: ist es nur eine abstrakte Form?
Evi: Das erinnert mich ein wenig an unsere Folge, was ja von uns übrig bleibt über
Evi: die ganzen Tausende, Millionen.
Evi: Da haben wir jetzt vor kurzem ja darüber gesprochen.
Jana: Genau. Und 11.000 Jahre ist einerseits nicht so lang, wenn man über Jahrmillionen
Jana: spricht, aber auf der anderen Seite ist es natürlich schon sehr lang her,
Jana: wenn man sich auch überlegt, was seitdem passiert ist.
Jana: Und das natürlich auch in dem Standort da in der Türkei.
Jana: Du hast Wind und Regen und das ist kein geschützter Ort. Also wird natürlich abgetragen.
Jana: Ist so das Erste, was mir da natürlich gleich ins Auge gesprungen ist.
Jana: Ist natürlich eine Interpretationssache, aber das astronomische Herz sagt dann
Jana: natürlich, ja, natürlich haben die den Himmel beobachtet.
Jana: Selbstverständlich. Genau. Und dann geht man in der Türkei sozusagen,
Jana: wenn man sich da um die Astronomie interessiert, die da in diesem Gebiet stattgefunden
Jana: hat, war ja damals auch noch gar nicht die Türkei.
Jana: So ein paar Jahrtausende springt man vorwärts und dann kommt man eben ans Osmanische
Jana: Reich. Und das war im 16. Jahrhundert.
Jana: Hier geht es jetzt vor allem um die Zeit von Sultan Murad III.
Jana: Das Osmanische Reich wurde zu einem wirklichen Zentrum für Wissenschaft,
Jana: für Kultur, für Austausch und natürlich Istanbul, damals Konstantinopel,
Jana: hat wahnsinnig viel Gelehrte angezogen und ist so ein richtiger Schmelztiel geworden.
Jana: Man hat dort auch Bibliotheken gehabt, wo die Werke von Wissenschaftlern oder
Jana: Gelehrten aus der Antike, aus dem Griechischen übersetzt wurden,
Jana: wo weiter geforscht wurde. Es gab
Jana: So religiös-wissenschaftliche Schulen, die hat man Medrese genannt.
Jana: Das sollte so ein großes Zentrum des Austausches sein.
Jana: Einerseits natürlich bestückt mit Bibliotheken, aber auch Gelehrte,
Jana: die da ausgebildet wurden mit Mathematik, Medizin, Theologie,
Jana: aber eben auch Astronomie.
Jana: In Istanbul gab es zu dieser Zeit, oder Konstantinopel gab es zu dieser Zeit,
Jana: ganz viele öffentliche Urtürme, was ich ganz interessant fand, und Wasseruhren.
Jana: Also man hat sehr früh da öffentlich sozusagen die Bevölkerung an der Bändigung
Jana: der Zeit beteiligt, dass man sagt, man hat das öffentlich hingestellt,
Jana: man hatte keine Armbanduhren, die Leute haben halt nach so einem Aufgang und
Jana: Untergang gelebt, aber man war halt schon in der Lage, gewisse Zyklen zu benennen
Jana: und Zeiten, die Zeit irgendwie einzusperren sozusagen.
Jana: Was mir aufgefallen ist, als ich jetzt auch dort war und wenn man sich so ein
Jana: bisschen auch mit der Symbolik beschäftigt, die natürlich auch in der Türkei
Jana: ganz klar auf der Flagge zu sehen
Jana: ist, Halbmond und Stern, ist ja ein sehr islamisches Symbol eigentlich,
Jana: hat man immer das Gefühl und gerade eben bei der Türkei ganz wichtig.
Jana: Und dann ist mir aufgefallen, wie wichtig die Astronomie im Islam ist.
Jana: Der Islam rechnet ja mit dem Mondkalender, also der Halbmond, Hilal genannt.
Jana: Der ist sehr, sehr lang schon mit dem Islam und der Zeitrechnung eben verbunden.
Jana: Der Mondkalender im Islam funktioniert so, dass der Monatsbeginn ist immer der Neumond.
Jana: Das Problem ist, wenn man das vergleichen will mit unserem Kalender,
Jana: also mit dem Gregorianischen,
Jana: Der Mondkalender aus dem Islam, der ist elf Tage kürzer.
Jana: Das bedeutet, dass sich das immer sehr stark verschiebt. Momentan ist der islamische
Jana: Jahresbeginn irgendwo Mitte Juni, Juli.
Jana: Aber das geht natürlich immer weiter und irgendwann geht es einmal durch ein ganzes Jahr durch.
Jana: Das ist eben die Astronomie im Islam und dann im Osmanischen Reich nicht nur
Jana: eine Frage von Symbolik, sondern auch ganz viel der Festlegung von Festen, von Gebetszeiten.
Jana: Ganz besonders stark ist da der Ramadan.
Jana: Dem Mond steht ja im Zusammenhang. Weißt du, wie man den Anfang vom Ramadan festlegt?
Evi: Ach, ich wusste das mal, aber jetzt natürlich habe ich keine Ahnung mehr.
Jana: Also ich habe es auch mal, ich wusste es so lose, dass es irgendwas mit dem Mond zu tun hat.
Jana: Es ist ganz spannend, also es geht darum, am ersten Tag des neunten Monats,
Jana: also sozusagen die erste neue Sichel nach dem neuen Mond, neunten Monats,
Jana: das ist der Beginn des Ramadan.
Jana: Und da gibt es einen Wettbewerb, sage ich mal, zwischen, ich glaube es ist Mekka
Jana: und noch in einer anderen Stadt, wo man versucht gegenseitig auszustechen,
Jana: wer die erste Sichel sieht.
Jana: Also wer als erstes den Ramadanbeginn ausrufen darf.
Jana: Es ist ganz lustig, hier in der Volksvermitte in München haben wir so eine kleine
Jana: muslimische Gemeinde, mit der wir auch zusammengearbeitet haben,
Jana: weil die gesagt haben, sie wollen es astronomisch belegt haben,
Jana: wann wirklich die erste Sichel kommt. Da gibt es dann natürlich innerhalb vom
Jana: Islam ganz große Diskussionen.
Jana: Darf man das? Teleskope und so weiter zur Hilfe nutzen? Es gibt Gemeinden, die das tun.
Jana: Es gibt Gemeinden, die das nicht tun. Das führt dazu, dass der Ramadan in unterschiedlichen
Jana: Orten zu unterschiedlichen Zeiten beginnt, weil man sich nicht ganz einig ist.
Evi: Ich hätte mir jetzt gedacht, dass da Astronomen dann ganz hoch im Kurs sind.
Jana: Ja, also waren sie auch lange Zeit. Ich fand es auch total spannend.
Jana: Das wäre auch was für die Elka.
Jana: Astronomie im Osmanischen Reich, ganz hoch im Kurs. Astrologie fanden sie ganz
Jana: schrecklich. Also eines der wenigen Kulturen, glaube ich, wo das schon sehr
Jana: früh getrennt wurde, weil Astrologie zählt halt so ein bisschen im Islam als
Jana: Hexenwerk und dann ist es natürlich nicht erlaubt.
Jana: Aber die Astronomie, das reine Beobachten, das wurde eigentlich sehr gern gesehen. Genau.
Evi: Okay, spannend. Sehr interessant.
Jana: Der Ramadan beginnt eben mit dieser ersten Mondsichel und endet auch mit dem nächsten Neumond.
Jana: Das ist dann das sogenannte Zuckerfest oder Bayram genannt in der Türkei.
Jana: Lustigerweise ist der Halbmond und der Stern kein offiziell islamisches Symbol,
Jana: sondern ein osmanisches.
Jana: Also die Türkei hat da einfach eine Symbolik vom Osmanischen Reich übernommen.
Jana: Diese Astronomen standen sehr, sehr hoch im Kurs. Man hat auch Observatorium
Jana: gebaut in Konstantinopel.
Jana: Es ist eins der, glaube ich, der für damals größten Observatorien, die dort im 16.
Jana: Jahrhundert gebaut wurden. Aber es ist auch eine ganz blöde Geschichte.
Jana: Es ist nämlich wahnsinnig kurzlebig nur.
Jana: Und zwar hat ein Komet alles zerstört, indirekt, muss man sagen.
Jana: Und zwar ist unter Murat III.
Jana: 1577 in Konstantinopel ein Observatorium gebaut worden.
Jana: Und der Astronom, der dort sozusagen die Leitung übernommen hat, das war Taki Adin.
Jana: Ob der wirklich aus dem Osmanischen Reich stammt oder nicht, ist nicht so ganz klar.
Jana: Aber er hat seine große Zeit seines Lebens in Istanbul oder in Konstantinopel verbracht.
Jana: Und der hat Jahre vorher schon auf Murat III.
Jana: Eingeredet. Er will dieses Observatorium haben und er war großartig darin,
Jana: Himmelsbewegungen zu messen.
Jana: Um das mal zeitlich eins zu ordnen, also 1543 hat Kopernikus das heliozentrische Weltbild vorgestellt.
Jana: Das hat Takiadin, wie die meisten Leute in dieser Zeit, nicht angenommen.
Jana: Das hat sehr lange gedauert, bis sich das irgendwie etabliert hat.
Jana: Es ist die Zeit von Kopernikus, von Tycho Brahe und Johannes Kepler,
Jana: später dann auch Galileo Galilei.
Jana: Also der passt da direkt in diese Hochzeit, sag ich mal, dieser ersten,
Jana: was machen die Planeten eigentlich da genau im Himmel, wo man das zum ersten
Jana: Mal besser verstanden hat, auch wenn viele wie Taki den eben selber auch noch
Jana: an das geozentrische Weltbild geglaubt haben.
Jana: Aber er hat zum Beispiel irrsinnig präzise Himmelsbeobachtungen durchgeführt,
Jana: die teilweise besser waren als die, die von Kepler und Brahe ein paar Jahre später gemacht wurden.
Jana: Also muss da sehr begnadet gewesen sein.
Evi: Vor allem frage ich mich gerade, was er halt für eine Methodik hatte.
Jana: Er hat wie in Europa die gleichen Instrumente verwendet.
Jana: Das war dadurch möglich, dass eben da dieser enorme Austausch stattfand.
Jana: Er hat sehr, sehr präzise Uhren verwendet.
Jana: Also da kommt dieses Zeitthema wieder zur Geltung, die damals im Osmanischen
Jana: Reich sehr gut verstanden war.
Jana: Und soweit ich lesen konnte, war es auch die Präzision dieser Uhren,
Jana: die ihm erlaubt haben, diese besseren Messungen zu machen als Kepler und Brahe.
Jana: Er hat natürlich auch astronomische Ereignisse versucht vorherzusagen und war dann am Hof auch aktiv.
Jana: Mutter der Dritte war ganz begeistert von seiner Arbeit und 1577 gab es eben
Jana: dieses Observatorium. Und das Problem war, 1580, drei Jahre später,
Jana: ist das zerstört worden, das Observatorium. Und zwar...
Jana: Ist ein Komet erschienen in dieser Zeit, der ist auch in Europa gesehen worden. Murat III.
Jana: Forderte von Taki Erdin dann eine Vorhersage, eine Einordnung dieses Phänomens.
Jana: Und Taki Erdin hat den Fehler gemacht, da ein gutes Omen drin zu sehen.
Jana: Also er hat dem Sultan gesagt, das wird Wohlstand bringen und Glück.
Jana: Es folgte ein katastrophaler Feldzug des Sultans in Persien und eine Seuche im Osmanischen Reich.
Jana: Und das hat dann den Klerus auf die Bildfläche gerufen, weil wie gesagt,
Jana: Astrologie, also diese Vorhersagen und so, man hat eigentlich nicht so gern
Jana: gesehen, vor allem in religiösen Kreisen.
Jana: Der Sultan selber hatte da anscheinend
Jana: großes Gefallen dran und hätte Herr Takedin auch nicht gefragt.
Jana: Aber dadurch, dass es halt dann keine akkurate Vorhersage war.
Jana: War dann die Gunst des Sultans auch begrenzt. Also es wurde dann sehr schnell
Jana: entschlossen, dass dieses Observatorium offenbar zu nichts Nutze ist,
Jana: weil es ja nur schlechte Vorhersagen machen kann.
Jana: Und 1580 wurde es geschlossen und tatsächlich auch zerstört.
Jana: Also es ist auch nichts übrig.
Jana: Es muss sich in der Nähe des Topkapelpalasts in Istanbul befunden haben,
Jana: was ja ein royaler, sehr, sehr wichtiger Ort war.
Jana: Und das ist sehr, sehr schade, weil es ist nichts davon übrig.
Jana: Also wir wissen nur durch Beschreibungen, dass es da auch eine große Bibliothek
Jana: gab, dass Takiya den auch dafür gekämpft hat, viele Bücher aus dem Ausland zu
Jana: besorgen, die zu übersetzen.
Jana: Er hatte da viele Assistenten und das ist alles zerstört worden.
Jana: Das führte auch so ein bisschen tatsächlich zu einem Rückgang der astronomischen
Jana: Forschung. Man wollte sich dann auch nicht weiter aus dem Fenster lehnen,
Jana: weil natürlich das war kein schönes Beispiel.
Jana: Aber trotzdem blieb natürlich die Astronomie und das ist sie auch bis heute,
Jana: eben diese Beobachtung vom Himmel, gerade vom Mond, für den Islamgang wahnsinnig wichtig.
Jana: Und man merkt es ja auch an der Symbolik. Also auch der Stern ist im Osmanischen
Jana: Reich schon immer so ein Herrschaftssymbol gewesen.
Jana: Ist heute in der Türkei ja auch immer wieder zu finden oder im islamischen Raum.
Jana: Also sind immer noch wichtige Aspekte des Lebens, auch zum Beispiel bei den
Jana: Gebetszeiten oder beim Hatsch.
Jana: Das hat alles immer was mit dem Himmel, mit den Sternen zu tun.
Jana: Und man hat das natürlich schon weiter verfolgt, aber man war dann nicht mehr
Jana: sozusagen konkurrenzfähig,
Jana: weil im Prinzip mit der Zerstörung des Observatoriums in Konstantinopel ist
Jana: das Observatorium für Tycho Brahe gebaut worden in Dänemark und Kepler und Brahe
Jana: in der natürlich eurasischen Raum,
Jana: die großen Vorreiter der Messungen und haben da sehr viel geleistet und das
Jana: geht natürlich einfach nicht mehr.
Jana: Ja, da kannst du nicht mitmachen, wenn du kein Observatorium hast,
Jana: keine Messstationen. Ja, das stimmt.
Jana: Das ist die Geschichte, die etwas traurige Geschichte, die kurze Geschichte
Jana: des Observatoriums in Konstantinopel, geändert mit einem Kometen.
Jana: Ich denke mir, das ist immer wieder, ich weiß nicht, ob das der gleiche ist,
Jana: der ist früher gewesen, den englischen König Herod.
Jana: Der wird auch immer wieder benannt, dieser Komet, der auf diesem Wandteppich drauf ist.
Evi: Ah, ja.
Jana: Ja, also immer irgendwie schlechtes Omen.
Evi: Ja.
Jana: Also die Leute hatten ja auch wirklich Angst davor. Ich glaube,
Jana: sogar noch zu Hallis Zeiten galt das als nicht gut, wenn du sowas siehst.
Evi: Ja, ich wollte gerade sagen, ich glaube, das ist ja eben mit so einem schlechten
Evi: Oman eigentlich. Vielleicht deswegen.
Jana: Vielleicht auch deswegen.
Evi: Vielleicht hat das da seinen Ursprung.
Jana: Vielleicht haben die Osmanen das auch irgendwie verpreiset. Kann natürlich sein.
Jana: Ja, ein bisschen schade, weil da, glaube ich, auch viel Potenzial drin gesteckt hätte.
Jana: Und gerade diese Blütezeit des Islams, da ist viel passiert und da waren viele
Jana: Leute am Werk, die sehr, sehr kluge Gedanken hatten. Das war dann das Ende.
Jana: Ich glaube, Taki Adem hat seine schlechte Vorhersage selbst aber überleben können.
Evi: Ja, immerhin.
Jana: Genau, also er ist nicht direkt irgendwie exekutiert worden.
Jana: Er hat dann noch eine Weile weitergelebt, fünf Jahre hat er noch überlebt, ist dann verstorben.
Jana: Und dann hatte ich mir mal angeguckt, was gibt es denn heute so in der Türkei
Jana: an astronomischem Wissen und Forschung? Es gibt zwei große Observatorien.
Jana: Es wurde 2018 die türkische Raumfahrtbehörde gegründet, von der ich tatsächlich
Jana: auch noch nicht so viel gehört habe. Aber die existieren und sind auch an einigen Projekten beteiligt.
Jana: Man muss da aber natürlich auch ganz klar dazu sagen,
Jana: Während ja bei der Gründung der Republik Türkei unter Atatürk sehr stark,
Jana: würde ich jetzt mal als Außenstehender behaupten,
Jana: Wert auf säkuläre Werte gelegt wurde und Wissenschaft vorangetrieben wurde,
Jana: sind wir ja momentan in der Türkei eher an einem Punkt, wo es wieder konservativer
Jana: wird, wo auch wieder sehr stark auf Religion gesetzt wird, auch im öffentlichen Bereich.
Jana: Ich glaube, es ist schon wichtig auch zu erwähnen, dass gerade seit diesem Putschversuch,
Jana: den es ja 2016 gab, Akademiker in der Türkei in sehr großen Zahlen entlassen
Jana: wurden und Bewegungen wie Academics for Peace verfolgt wurden.
Jana: Was komplett an mir vorbeigegangen wurde, 2024 wurde das Turkey Century Education
Jana: Model eingeführt, was den Unis einen stärkeren Fokus auf religiöse Werte vorschreibt.
Jana: Und das ist natürlich nicht unbedingt förderlich für die Freiheit der Wissenschaft.
Jana: Trotzdem ist aber, glaube ich, die Astronomie gerade einfach ein Thema,
Jana: was, glaube ich, ganz gut religionsfreundlich verpackt werden kann im Islam,
Jana: weil es halt einfach da eine große Rolle spielt.
Jana: Und man sieht es ja auch daran, also durch die Observatorium,
Jana: die existieren und die Raumfahrtbehörde, die ja auch gegründet wurde.
Jana: Es ist jetzt nicht feindlich demgegenüber, aber ich hatte auch das Gefühl,
Jana: gerade wenn man in Istanbul ist, merkt man, dass es da politisch sehr große
Jana: Gräben gibt zwischen einer liberalen Stadtgesellschaft und einer konservativen
Jana: Landbevölkerung. So wie an vielen Orten.
Jana: Aber ich fand es total spannend, weil es nicht ein Land ist,
Jana: das ich normalerweise so auf dem Schirm hatte, was so Wissenschaft und Astronomie angeht.
Jana: Man denkt dann ja immer an die alten Griechen oder vielleicht an Ägypten, den Pyramiden.
Jana: Ja, also war sehr, sehr cool, das zu sehen.
Jana: Ich hoffe, dass ich mal die Gelegenheit habe, Gewöckli Tepe zu sehen,
Jana: diese Ruine. Ich habe sie selber noch nicht anschauen können.
Jana: Ich hoffe natürlich, dass auch
Jana: weiterhin auf türkischem Boden ganz viel Astronomie gemacht werden kann.
Jana: Die Sterne beobachtet werden können.
Jana: Weil ich fand das total toll an der Volksstimmarte, dass da so viel...
Jana: Und Vertrauen auch so, ihr wisst das doch, ihr seid doch die Sternforscher,
Jana: sagt uns, wann die erste Sichel da ist und dann fühlt man sich da irgendwie
Jana: auch gleich mit rein verbunden.
Jana: Also das, glaube ich, ist das Ende meiner kleinen Postkarte,
Jana: meiner Audio-Postkarte aus der Türkei.
Jana: Kann ich nur empfehlen, sich da mal die Geschichte anzugucken und die astronomischen
Jana: Gegebenheiten, die dort auch in der Vergangenheit schon untersucht wurden sozusagen.
Evi: Sehr spannend auf jeden Fall. Also ich wusste das alles auch noch nicht.
Evi: Das war für mich jetzt auch sehr interessant, dir zu lauschen.
Evi: Ich glaube, es findet sich wahrscheinlich überall irgendwo in irgendeiner Art und Weise Astronomie.
Evi: Deswegen vielleicht auch gleich ein kurzer Aufruf an unsere Hörerinnen.
Evi: Falls ihr auch irgendwo urlaubt und plötzlich über Astronomie stolpert,
Evi: vielleicht in Form einer Ruine, könnt ihr natürlich auch interpretieren.
Evi: Das ist bestimmt nach den Sternen ausgerichtet.
Evi: Dann lasst uns das gerne wissen. Also wir sind immer sehr neugierig,
Evi: da auch neue Orte oder Länder auch zu finden, wo vielleicht Überraschendes Astronomisches passiert ist.
Evi: Und ihr könnt uns natürlich gerne eine E-Mail schreiben, unkontakt.cosmoglatt.at.
Evi: Wie immer könnt ihr euch bei uns bedanken. Nicht nur mit Worten,
Evi: sondern wenn ihr wollt, könnt ihr natürlich auch eine kleine Spende zukommen lassen.
Evi: Das könnt ihr natürlich über PayPal machen oder in Form eines Abos über Steady und Patreon.
Evi: Ansonsten empfehlt den Podcast gerne weiter, hinterlasst fünf Sterne Bewertungen
Evi: für uns, damit wir weiter wachsen können und genießt noch den Sommer. Bis dann. Tschüss.
Jana: Ciao, ciao.
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